Tag 8 & 9 | Fliegen wir doch?
- Losgelöst
- 15. Nov. 2019
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Nov. 2019
Samstag 16.11.2019 und Sonntag 17.11.2019 / Barcelona / Murcia / Almería
Heute ist der 7. Tag unserer Reise. Seit einer Woche sind wir unterwegs. Uns wird so langsam bewusst, wie unglaublich weit es bis nach Gibraltar ist. Die Auszeit in Barcelona tat gut und war wichtig, um unsere Reserven wieder aufzufüllen. Denn die Tage, an denen wir so viele Kilometer wie möglich zurücklegen, kosten viel Energie.
Nachdem wir gestern beschlossen hatten, keine weitere Nacht in Barcelona zu bleiben, wollen wir nun nach Valencia aufbrechen. Da stehen wir nun wieder am Straßenrand vor einer Autobahnauffahrt und strecken unsere Daumen raus. Wir haben gelesen, dass es in Spanien sehr schwierig ist zu trampen. Die Autofahrer hier seien sehr skeptisch und nehmen nicht gerne Leute mit.
Wir versuchen es trotzdem.

Wir beginnen an einer Tankstelle, bei der wir die parkenden Autofahrer direkt ansprechen. Man spürt sofort, dass es hier anders ist als in Frankreich. Da gab es mehr Zuspruch, auch wenn die meisten nicht anhielten.
Hier werden wir verärgert und entnervt angeschaut. Jede Anfrage wird abgelehnt, die wenigsten lächeln dabei oder lassen einen Hauch von Mitgefühl spüren. Wir fühlen uns unwohl. Hinzu kommt das Gefühl, auf der Tankstelle nicht willkommen zu sein. Es spricht uns zwar niemand der Tankstellen-Mitarbeiter an, aber die Blicke sprechen für sich.
Das ist der Grund, weshalb wir es nun etwas weiter vor der Tankstelle versuchen. Wir stehen an einem Kreisverkehr, von dem eine Autobahnauffahrt abzweigt. Hier fühlen wir uns eher wie Tramper. Schild raus, Daumen hoch und hoffen. Da, ein Lächeln hinter dem Steuer! Das ist so viel wert!

Wir setzen Hoffnung auf die vorbeifahrenden LKWs. Genug Platz zum Anhalten hätten sie. Doch das tun sie nicht. So schnell geben wir den Mut nicht auf. Immerhin war der Anfang in Frankreich auch nicht leicht.
Doch nach 2 h merken wir, dass die Spanier wirklich harte Nüsse sind, die es zu knacken gilt. Mittlerweile ist es 13 Uhr. Bis nach Valencia braucht es mit dem Auto ca. 3 Stunden, bis nach Murcia 6 Stunden. Wir wollen heute eigentlich eine möglichst große Strecke schaffen. Doch mit jeder Minute scheint es schwieriger zu werden. Ich werde so langsam unruhig. Wir schauen nach Fernbussen und Zügen, doch finden keine richtige Internetseite.
Der Rezeptionist im Hostel hatte gemeint, die günstigste Möglichkeit durch Spanien zu reisen, sei Blablacar. Dort finden wir tatsächlich einige Fahrten von Barcelona nach Valencia oder auch Murcia. Wir sind unsicher.
Wir spüren seit einigen Tagen, dass wir nicht so reisen, wie wir es uns vorgestellt haben. Einerseits wollen wir uns Zeit für die einzelnen Städte nehmen, alles aufsaugen, was wir sehen. Andererseits läuft die Zeit für die Atlantik-Überfahrt und bis Gibraltar ist es noch weit. Bei Workaway haben wir eine Familie gefunden, die Mitte/Ende November auf ihrem Katamaran von Gibraltar nach Brasilien fährt. Es stimmt also. Die Boote fahren schon. Wir haben das Gefühl, dass es wichtig ist, so schnell es geht nach Gibraltar zu fahren, auch wenn es bedeutet, einige Städte auszulassen, die wir vielleicht gern gesehen hätten.
Wenn wir in Situationen nicht weiter kommen und nicht wissen, was wir machen sollen, schauen Lukas und ich uns immer an und überlegen gemeinsam, was unsere Priorität ist. Dadurch können wir uns auf unser Ziel fokussieren und leichter Entscheidungen treffen. Also schauen wir uns an und fragen uns: Was ist uns am wichtigsten? Die Städte mit Zeit zu besuchen? Oder lieber zum Hafen runter, um ein Boot zu finden? Wir sind uns einer Meinung: Der Hafen! Denn wir brauchen ein Boot, und das können wir nicht in Barcelona oder den anderen Städten finden.
So sei es. Ich suche via Blablacar eine Verbindung und tatsächlich fährt 15 Uhr Miguel nach Murcia. Das ist eine weite Strecke, wir würden immerhin fast 600 km schaffen. Also kontaktieren wir ihn. Dank Google Translate schreiben wir ziemlich gute Nachrichten auf Spanisch und sind erleichtert, als er unsere Anfrage annimmt. Treffpunkt ist der Flughafen in Barcelona. Wir packen unsere Sachen zusammen und geben das Trampen für heute auf. Vielleicht hätte uns später noch jemand mitgenommen, vielleicht auch nicht. Aber wir wollen weiter. Und ohne Zelt ist es schwierig, entspannt am Straßenrand zu übernachten.


Am Flughafen angekommen haben wir noch zwei Stunden, bis Miguel uns abholt. Ein komisches Gefühl. Uns fällt jetzt erst auf, das wir tatsächlich an einem Flughafen sind, ohne es geplant zu haben. Wir haben bisher nicht einmal daran gedacht, einfach in ein Flugzeug zu steigen. Für gerade mal 29 Euro könnten wir hier und jetzt in ein Flugzeug steigen und nach Gibraltar fliegen!
Plötzlich fühlt es sich furchtbar schwer an, ohne Flugzeug zu reisen. Wir saßen bisher insgesamt 25 h in Zügen, Autos und Bussen und sind gerade mal in Barcelona und haben bisher ca. 180 Euro ausgeben. Für die Fahrt bei Miguel zahlen wir zusammen 88 Euro inkl. aller Gebühren. Wenn wir also in Murcia ankommen, sind es 31 h und 268 Euro.
Wir stehen vor dem Flughafen und schauen den Reisenden zu. Wir wollen nicht fliegen, um unseren CO2-Verbrauch zu reduzieren. Stattdessen nutzen wir Bus & Bahn und steigen bei Menschen ins Auto, die alleine fahren würden. Wir reisen so plastik- und verpackungsarm wie möglich, kochen fast immer selbst. Und wir wissen: wenn wir nur ein einziges Mal fliegen würden, wäre alles umsonst gewesen. Man kann noch so umweltfreundlich und nachhaltig leben, sobald man ein einziges Mal in ein Flugzeug im Jahr steigt, macht es die Bilanz zunichte.
Wieso ist Fliegen dann so unverschämt günstig?
Da stehen wir nun, vor dem Flughafen von Barcelona, schauen den Reisenden zu, entschlossen nicht zu fliegen und stattdessen bei Miguel ins Auto zu steigen und so dem Ziel Gibraltar ein kleines Stückchen näher zu kommen.


Abends 22 Uhr kommen wir in Murcia an. Wir haben während der Fahrt noch zwei Betten in einem Hostel gebucht. Miguel hätte uns evtl. auch bei sich aufgenommen, denn er hatte uns versprochen, dass wir nicht auf der Straße schlafen werden. Aber wir sind unsicher, ihn tatsächlich zu fragen. Im Hostel angekommen bereuen wir diese Entscheidung.
Wir schlafen gemeinsam im oberen Bett eines Doppelbetts mit unseren Wertsachen in Arm, weil uns der Ort nicht geheuer ist. Es gibt keine Schließfächer, unsere Backpacks stehen mitten im Raum. Die Luft ist stickig (genau so, wie man sie sich vorstellt, wenn 4 Leute schon ne Weile in einem Zimmer ohne Fenster wohnen). Wir entscheiden, dass wir hier nur schlafen und nicht duschen werden. Nur eine Nacht, dann gehen wir morgen weiter. Das schaffen wir schon. Doch wir haben die Rechnung ohne unseren Mitbewohner unter uns gemacht...es kam plötzlich und ohne Vorwarnung. Die Kettensäge, die einen ganzen Wald hätte abholzen können. Wir haben noch nie jemanden derart laut schnarchen hören! Da helfen auch keine Ohropax mehr. Wir versuchen das, was in unseren Augen die einzige Möglichkeit ist: wir wackeln am Bett, so erhalten wir wenigstens ein paar Sekunden Ruhe, in denen wir einzuschlafen versuchen. Vor lauter Verzweiflung bekommen wir noch einen Lachanfall, weil das natürlich nicht funktioniert. Groteskes Szenario. Irgendwann schlafen wir wohl ein.
Morgens denken wir, bloß noch frühstücken, dann weg aus dem Hostel, weg aus Murcia. Unser Plan ist, einen Mietwagen zu finden, den wir als Rückführung sehr kostengünstig ergattern können. Wir haben gestern am Flughafen erfahren, dass es das in Spanien gibt. Das Problem: es ist Sonntag und die meisten Geschäfte haben geschlossen.
Erschöpft und entmutigt verlassen wir das Hostel und laufen zum Treffpunkt, an dem uns Cecil mitnimmt. Über Blablacar kommt man tatsächlich sehr gut durchs Land, was auch im Vergleich zu Bus und Bahn recht günstig ist. Unser Tagesbudget halten wir damit jedoch nicht ein. Wir fahren nach Almería, einer Hafenstadt südwestlich von Murcia. Wir sind 150 km weiter Richtung Gibraltar gekommen und 25 Euro ärmer.
Hier ein Lied aus Cecils Playlist:
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