Atlantik - Spezial Teil 2 – So haben wir ein Boot gefunden! Tipps, Tricks und unsere Erfahrungen
- Losgelöst
- 21. Jan. 2020
- 9 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Feb. 2020

Die richtige Zeit
Wir sind mit bestem Beispiel voran gegangen. Wir haben uns vorab NICHT die möglichen Routen und Zeiten für Überquerungen angesehen. Dies macht aber auf jeden Fall Sinn, um mit den passenden Winden und damit den größten Chancen zu fahren. Kaum ein Segler segelt außerhalb der Saison, dafür alle, wenn die Winde stimmen. Meist liest man online, dass die Saison für die Atlantiküberfahrt von Oktober/November bis Februar/März ist. Wir sind mit dieser Information in den Häfen angekommen und haben dazu gelernt:
Es kommt auf das gewünschte Reiseziel an. Möchtest du in die Karibik segeln, ist die Zeit um November perfekt. Möchtest du eher in südlichere Gefilde, wie z.B. Brasilien solltest du im Januar/Februar nach einem Boot suchen. Der Grund dafür liegt in den Passatwinden. Am Ende des Jahres sind diese eher westlich geprägt, während sie in den ersten Monaten des Jahres nach Süden drehen. Wir wollten ursprünglich nach Brasilien o.ä. und waren im November auf Bootssuche. Kein Wunder also, dass wir kaum Boote gefunden haben, die dieses Ziel ansteuerten. Hatten wir dann doch eins mit diesem Ziel gefunden, hieß es, dass die Boote bis Januar/Februar im Hafen liegen werden. Hierzu soll auch gesagt sein, dass es nicht unmöglich ist, auch in den eher untypischen Zeiten ein Boot zu finden. Die Wahrscheinlichkeit ist nur geringer. 😉

Die App „Schiffsradar“ gibt einen guten Einblick, in welcher Region gerade Segler unterwegs sind (s. rechte Abb.). So könnt ihr sehen, ob in dem Hafen, den Ihr euch aussucht, viel Verkehr ist. Nebenbei könnt ihr damit auch während der Bootssuche schauen, ob mit neuen Booten zu rechnen ist. Es ist im Prinzip ein Livetracker. Uns hat diese App sehr geholfen, Entscheidungen zu treffen. Denn so konnten wir sehen, dass an manchen Tagen viele Boote in Richtung La Linea de la Concepcion auf dem Weg waren, während an anderen Tagen kein einziges Boot einlief. Als es um die Entscheidung ging, länger in La Linea de la Concepcion zu bleiben oder nach Las Palmas aufzubrechen, hat uns diese App sehr geholfen, weil wir über mehrere Tage mitverfolgen konnten, dass in Las Palmas viel mehr Segelverkehr war als in La Linea de la Concepcion.
In manchen Quellen liest man auch von der Möglichkeit, einem Boot beizutreten, das an der ARC-Regatta teilnimmt. Die Beteiligungskosten dafür sind jedoch meistens sehr hoch und meist wird Segelerfahrung vorausgesetzt. Immerhin handelt es sich hierbei um einen renommierten Wettbewerb. Möchte man unter diesen Umständen den Atlantik überqueren, sollte man bereits im November auf Bootssuche gehen – und zwar in Las Palmas. Rechnet also genügen Zeit ein, vorher ein Boot in La Linea de la Concepcion zu finden, das euch nach Las Palmas bringt. Aus unserer Erfahrung wurden jedoch die wenigstens Backpacker während der Vorbereitungen für die ARC mitgenommen. Fast alle Boote hatten bereits ihre feste Crew, denn hier geht es um funktionierende Sportler, die sich blind vertrauen und gut harmonieren. Nach dem Start der ARC (Ende November) entspannt sich die Lage im Hafen in Las Palmas und schwupps konnten in einer Woche 9 Backpacker ein Boot finden.
Der richtige Hafen
Wir haben zuerst online recherchiert und uns in einigen Gruppen angemeldet, um nützliche Informationen über Routen, Zeiten, Häfen, Mitsegler und mögliche Boote zu finden. Auf Facebook ist dabei „Sailboat Hitchhikers and Crew Connection“ (https://www.facebook.com/groups/sailboatyacht/) eine gute Adresse. Viele andere Backpacker haben über die Website „Hand gegen Koje“ (http://www.handgegenkoje.de/), aber auch über die gleichnamige Facebook-Gruppe (https://www.facebook.com/groups/116717735022951/) ein Boot gefunden.
In den Gruppen kann es sinnvoll sein, andere Reisende/ Suchende zu kontaktieren, um von ihnen nützliche Informationen über Häfen etc. zu erhalten. Wir wurden während unserer Bootssuche zweimal angeschrieben und konnten weitergeben, wie die aktuelle Situation in diesem Hafen ist. So konnten wir z.B. mitteilen, dass der Hafen in Gibraltar geschlossen war und somit keine gute Anlaufstelle war (Stand: 11/2019). (Ob jedoch alle so offen und ehrlich sind, ist nicht gewiss.)

Wir haben gegoogelt, welche Häfen für die Überfahrt geeignet sein können und uns dazu Beiträge von anderen Reisenden durchgelesen. Dort hieß es, dass der Hafen in Gibraltar die richtige Adresse ist. Unsere Erfahrung vor Ort hat jedoch gezeigt, dass der Hafen längerfristig geschlossen bleibt (voraussichtlich die nächsten 2 Jahre (STAND: 11/19) und deshalb für die Bootssuche nicht geeignet ist.
Vom Hafen in La Linea de la Concepcion haben wir vorab online nicht viel gelesen. Er war aber vor Ort der place to be, um ein Boot zu finden. Am besten eignet sich aber wohl der Hafen in Las Palmas auf den Kanarischen Inseln. Aus unserer Erfahrung können wir auch sagen, dass es definitiv von der Jahreszeit und dem Reiseziel abhängt (s. oben).
Die Suche im Hafen
Als wir uns einen Hafen (zuerst Gibraltar/ La Linea de la Concepcion) ausgesucht hatten, haben wir uns eine Unterkunft gesucht, in der wir uns wohlfühlten und die uns für die nächsten Tage/ Wochen als Basis dienen konnte. Wichtig bei der Auswahl ist, was euch gefällt: Airbnb, Couchsurfing oder vielleichtn Camping? Wir haben viele Tramper getroffen, die nahe dem Hafen in den Büschen gezeltet haben (hat eine Zeit lang funktioniert, irgendwann wurde ein Camp von der Polizei aufgelöst. Natürlich friedlich). Seid also vorbereitet, wenn die Polizei euch friedlich des Platzes verweist. Bereitet euch beim Zelten aber vor allem in La Linea de la Concepcion im November auf viel Regen vor.
Mit etwas Glück könnt ihr auch kostenlos auf einem Boot unterkommen. Das haben in La Linea einige geschafft und auch wir durften in Las Palmas bei Fred auf dem Boot wohnen, bis wir ein Boot gefunden hatten.
Bei jeder neuen Ankunft in der Marina haben wir uns genau umgesehen: Wie ist die Struktur, gibt es ein Hafenbüro, gibt es Anlegestellen, an denen angelegt werden muss, bevor man in den Hafen einlaufen kann? Gibt es eine Hafenkneipe, die von Kapitänen und Crew bevorzugt wird? In La Linea de la Concepcion haben wir einige schöne Abende mit den Seglern im einzigen Restaurant „Alcaidesa“ verbracht. Dadurch konnten wir die Zeit während der Bootssuche besser genießen. Auch tagsüber findet man hier immer wieder Segler für einen Kaffee o.ä. In Las Palmas können wir die Information bestätigen, dass die Sailors Bay bzw. Sailors Bar DIE Anlaufstelle sowohl für Segler als auch für Backpacker ist.
Wir haben Flyer erstellt, auf denen unsere Informationen angegeben sind: Welche Route wir fahren möchten, was wir anbieten, wie man uns erreicht und das Ganze mit einem schönen Bild gestaltet (hat am Schluss für uns funktioniert). Diese Flyer haben wir im Hafenbüro, in den Bars, an Laternen, an den Stegen angebracht – überall dort, wo viele Segler vorbei gehen. Beobachtet die Routen der Menschen, um die optimalen Anlaufstellen zu finden.
Oder fragt euch selbst: „Wo würde mir dieser Flyer auffallen, wenn ich Segler wäre?“ Wichtig ist, dass im gesamten Hafen in La Linea de la Concepcion jegliche Art von Flyer verboten sind, ebenso im Hafen von Gibraltar. Im Hafen von Las Palmas dagegen scheint es niemanden zu störten. Hier besteht die Herausforderung eher darin, einen freien, noch nicht beklebten Platz zu finden. Spart euch also das Geld für Las Palmas und investiert dann am besten in Farbdrucke. Seid kreativ und bunt, denn unter den Hunderten von Flyern müsst ihr irgendwie auffallen.
Bleibt aber ehrlich, wenn ihr eure Fähigkeiten beschreibt. Schreibt nichts, von dem ihr nicht wisst, dass es wirklich zutreffend ist. Wir haben uns völlig überschätzt und haben in unserem Flyer davon geschwärmt, wie gut wir kochen können oder dass wir mit unserer Ukulele für gute Musik und Stimmung sorgen können... sagen wir mal so: „Kochen“ und „Auf See kochen“ sind zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe!
Seid vor allem so ehrlich und gebt ruhig zu, wenn ihr noch keine Segelerfahrung habt. In den meisten Fällen ist es nicht vorrangig wichtig, wie gut ihr segeln könnt, sondern ob die Chemie innerhalb der Crew stimmt.
Das hat zumindest bei uns gut funktioniert:

Foto: So sah unser Flyer aus!
Seid anwesend und präsent! Tagsüber sind wir die Marina abgelaufen und haben verschiedene Menschen angesprochen. Vor allem morgens waren wir am Hafenbüro, um den ankommenden Booten beim Anlegen zu helfen und so direkt in Kontakt zu kommen. So brecht ihr direkt das Eis und kommt automatisch ins Gespräch und hinterlasst ganz nebenbei einen guten ersten Eindruck. Springt über euren Schatten und nehmt mit den Seglern direkten Kontakt auf. Mit einem Lächeln auf den Lippen und höflichen Fragen, nehmen sich die Segler auch gern Zeit für euch.
Es ist von großem Vorteil, in eurer „Freizeit“ Knoten zu üben, die für Anlegemanöver gebraucht werden (vor allem, wenn ihr wie wir zuvor noch nie etwas damit zu tun hattet). Die findet ihr entweder auf Youtube, oder ihr schaut 2-3 Booten zu, danach habt ihr den Dreh einigermaßen raus (oder ihr fragt natürlich die Segler direkt). Seglern fällt es auf, dass ihr euch „fortbildet“. Das macht einen besseren Eindruck, als würdet ihr nur auf den Gehwegen sitzen und nichts tun. Bietet eure Hilfe an, wann immer es geht. Dadurch lernt ihr neue Dinge, seid aktiv und baut eure Bekanntheit im Hafen aus.
Seid immer freundlich zu Hafenmitarbeitern, Hafensecurity und überhaupt Allen. Haltet euch an die Regeln im Hafen und benehmt euch ordentlich. Dadurch seid ihr im Hafen gern gesehen, bekommt keine Probleme mit der Security und hinterlasst bei Allen einen positiven Eindruck, der euch irgendwann später zum Vorteil werden kann.
(Ergänzung: Wir hatten im Hafen von La Linea de la Concepcion die Situation, dass die vorherigen Tramper sich auf die Stege geschlichen hatten, obwohl von der Security dafür ein Verbot verhängt worden war. Sie schlichen sich in die mit Chipkarten gesicherten Duschen, die eigentlich nur für die im Hafen liegenden Segler gedacht sind, und sorgten durch dieses Verhalten dafür, dass auch neu ankommende Tramper unfreundlich begrüßt und nicht gerne gesehen waren. Dies hat die Situation für alle unangenehmer und schwerer gemacht, da die Security jeden Schritt beobachtete und auch Kapitäne & deren Crew nicht gut auf uns Tramper zu sprechen waren.)

Foto: Ein wenig Spaß darf natürlich auch nie fehlen. ;)
Weitere nützliche Tipps
Tritt mit anderen Trampern im Hafen in Kontakt, tauscht euch aus und unterstützt euch gegenseitig. Dadurch lernt ihr nicht nur neue Menschen kennen, vielleicht findet einer der anderen auch ein Boot, was zwar nicht für Ihn, dafür für euch geeignet ist. Als Tramper sind wir eine Einheit und sollten zusammenhalten (gilt natürlich für alle Menschen, aber in dieser besonderen Situation noch mehr). Wir hatten während unserer Suche mehrmals den Fall, dass z.B. nur Platz für eine Person ist. Dieses Boot fiel dann zwar für uns zwei raus, aber wir konnten einen anderen Backpacker vermitteln, der allein reiste. In anderen Fällen wurde einem männlichen Backpacker gesagt, dass nur eine Frau mit an Bord darf – und plötzlich wurde das die Chance für die einzige alleinreisende Frau unter den Backpackern. Stellt also den Konkurrenzgedanken ab, gemeinsam seid ihr stärker.
Genießt den Prozess des Suchens und das Reden mit den Menschen. Geht nicht in ein Gespräch hinein mit dem Gedanken, euren zukünftigen Kapitän zu finden, sondern ein großartiges Gespräch zu haben und nützliche Informationen zu finden. Wir haben meist 10 Minuten mit jemandem gesprochen, bevor überhaupt das Thema aufkam, ob der/ diejenige jemanden mitnimmt.
Habt Spaß an der Sache und lasst euch nicht von „Neins“ entmutigen. Jedes „Nein“ bringt euch näher zu einem „Ja“. Eure tägliche Laune beeinflusst maßgeblich euren Erfolg, sowohl bei der Bootssuche als auch im Alltag. Es eröffnen sich so viele Möglichkeiten, wenn ihr positiv an die Sache rangeht und auch positiv bleibt. Glaubt an euch und daran, dass ihr ein Boot finden werdet. Bleibt im Vertrauen, egal, wie viele Absagen ihr erhaltet. Ein beliebter Spruch unter uns Backpackern war: „Du hast bereits ein Boot gefunden, es ist nur noch nicht hier.“ So konnten wir uns gegenseitig immer bei Laune halten. Und es stimmt: Euer Boot wird kommen, wenn ihr daran glaubt.
Wir haben aus Beobachtungen festgestellt, dass Gespräche, die ihr mit „Hallo, suchen Sie Crew?“ anfangen, kaum funktionieren. Die meisten Kapitäne haben diese Frage schon öfter gehört und haben wenig Lust auf einen weiteren, plumpen Versuch. Seid einfach ihr selbst, versucht nicht irgendwie anders zu sein oder euch zu verstellen. Das hilft euch nicht weiter. Stellt Fragen zur Fahrt, zum Boot, zur Crew, zu den Segelerfahrungen oder den Herkünften. Gebt Informationen zum Hafen, falls die Crew das erste Mal hier anlegt (und das sind gar nicht so wenige).
Nehmt euch Zeit und plant auch genügend Zeit ein für den Fall, dass ihr mal länger auf euer Boot warten müsst. Mit viel Glück könnt ihr in wenigen Tagen ein Boot finden, manchmal kann es aber mehrere Wochen oder Monate dauern. Setzt euch selbst nicht unter Druck. Anfangs haben wir gedacht, dass wir super schnell ein Boot finden werden. Das kann so sein, entspannter ist es allerdings, wenn man sich mehr auf das Suchen freut als auf das Finden. Also gebt euch dem Prozess hin und habt Freude an den Interaktionen mit den Menschen. Wir waren am Schluss fast ein bisschen traurig, als wir unser Boot gefunden hatten, denn die Suche an sich war eine große Freude, die uns in Kontakt mit vielen, tollen Menschen gebracht hat. Rückblickend betrachtet hatten wir riesiges Glück: denn wir haben es innerhalb von 5 Wochen geschafft, ein Boot zu finden inklusive Überquerung). Wahnsinn!

Foto: Manchmal haben wir mehrere Tage lang kein neues Boot gesehen. Dann konnten wir nur sehnsuchtsvoll zum Horizont blicken und warten. Macht euch auch auf solche Tage gefasst!
Lasst euch nicht entmutigen, von niemandem, nirgendwo, niemals. Manchmal bekommt man online den Eindruck, dass die Suche super schwer bis unmöglich ist. Dass man nur einer von unendlich vielen Suchenden ist. Dies ist teilweise auch richtig, denn ja, immer mehr Tramper sind unterwegs. Immer mehr suchen im Hafen ein Boot und wollen genau die gleiche Route wie ihr segeln. Die Atlantik-Überfahrt wird zum Trend. Macht euch trotzdem keine Sorgen. Denn in der Realität liegen viele Boote im Hafen, es kommen viele Segler an, die entgegen der Meinung im Internet nicht genervt sind sondern nach Crew suchen und die vor allem Lust haben, mit euch in Kontakt zu kommen.
Wenn ihr Fragen habt, zögert nicht, uns zu kontaktieren! Viel Glück! :)
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